Blog

Tag 2: SUD OST, Görlitz

2021 06 08 SudOst collageDienstagmorgen, 9 Uhr. Jakobstr. in Görlitz. Herrlich unaufgeregt erwacht die Ladenstraße. Man kennt und grüßt sich. Hier ein Schwätzchen, dort ein kurzer Plausch. Eine sehr familiäre, unaufgeregte Atmosphäre liegt in der Luft.  Mit dröhnendem Lachen schließt Lars die SUD OST Kocherei & Brauwerkstatt auf.  Der gebürtige Görlitzer schnippelt gut gelaunt das Gemüse für den Mittagstisch und plaudert nebenbei über sein Görlitz. Ein 46-jähriger Koch, der in sich ruht und mit der Welt im reinen ist.  Ist es das, was die Menschen der Region ausmacht, frage ich mich.  Einfach zufrieden zu sein mit dem was man hat und mit dem was man tut?

Fast geräuschlos kommt einer der geschäftsführenden Gesellschafter ins SUD OST. Matthias Grall ist Braumeister und Diplom Ingenieur für Getränketechnologie. Ein gebürtiger Hesse, in Bayern studiert, in Franken gearbeitet und vor 20 Jahren nach Görlitz gekommen. Grenzen fangen im Kopf an und hören auf der Landkarte auf sagt Matthias schmunzelnd. Ein bunter Hund,  der sich mit den eigenen Biersorten selbst verwirklicht.  Grinsend schenkt er mir ein Probierglas seiner neuesten Bier-Kreation ein, welche Ende Juni herauskommt. 

Ein Jubiläumsbier zu 950 Jahren Görlitz mit sportlichen 7.5 PS aus der Flasche. Fruchtig und extrem süffig, was die eigene Statik schnell ins Wanken bringen kann.  Matthias lacht. Ja, sein Bier soll so spannend schmecken, dass man sich automatisch gleich das Nächste bestellt und 2 weitere Gläser später immer noch fragt: Ist das Anis, Rosmarin oder was ist es, was ich hier rausschmecke aber nicht in Worte fassen kann?

Ein regionales Produkt, ehrliche Handarbeit. Jede Flasche von Hand abgefüllt und etikettiert. Rund 20.000 Flaschen pro Jahr. Hinter der offenen Küche steht die eigene Brauerei.  Der Meister in seinem Element. Selbst gebaute Anlage, zugeschnitten auf seine Bedürfnisse, über 20 Jahre Brau-Erfahrung. Hier weiß ein Mann, was er tut. 

Wenn man ihm zuhört, merkt man, hier kommt Beruf von Berufung. Radio Grall ist immer auf Bier-Sendung. Ein wandelndes Bierlexikon, welches einmal im Schwung geredet, nicht mehr zu bremsen ist.  Wäre es möglich bei Braumeister Matthias in die Lehre zu gehen, man würde hinterher jedes Malzkorn weltweit beim Vornamen kennen. Der Ein-Tages Braukurs, den Matthias anbietet wird dafür nicht reichen, aber zumindest kann man sich unter Anleitung sein eigenes Bier brauen. 

Die 4 kleinen Mittagstische auf dem Bürgersteig sind inzwischen gut besucht.  Lars schwitzt in seiner Live Cooking Küche. Ob wegen der sommerlichen Hitze oder wegen der Flut an Bestellungen ist nicht ersichtlich. Vermutlich eine Mischung aus beidem. Das dröhnende Lachen ist leiser geworden, aber nicht unzufriedener. Für heute sind wir ausverkauft, sagt er. Aber morgen ist ein neuer Tag und sein Lachen wird wieder lauter. 

Tag 1: Lausche

Tag 01 collageDie Sonne scheint, der Himmel ist strahlend blau und wir rollen auf der B99 aus Görlitz.  Wir wollen in den Süden des Landkreises. Auf die Lausche, den höchsten Berg der Niederschlesischen Oberlausitz. Dorthin wo der tschechische Hase dem deutschen Igel ganz romantisch gute Nacht sagen könnte. 

Kameramann Chris fährt, und ich hänge meinen Gedanken nach, während neben mir die gelben Rapsfelder vorüberziehen. In der Ferne drehen sich lautlos kleine Grüppchen von Windrädern, die Fahrtluft zieht erfrischend zum offenen Fenster herein. 

Der Verkehr fließt. Wir gleiten durch die Städtchen, und ich frage mich, wo wohl die Menschen sind. Wenig Autos, wenig Menschen auf der Straße. Es ist eine Radikalkur zum Großstadtdschungel. Ostritz, Zittau. Ich sehe wahre Prachtbauten, neben sanierungsbedürftigen Gebäuden, denen man die Grandezza besserer Tage noch ansieht. Die Substanz ist da, wer hier anpacken will, könnte sich selbst verwirklichen. 

Ich beobachte Chris beim Fahren. Er ist hier geboren und aufgewachsen, zum Studium gegangen, aber danach wieder zurückgekommen. Nicht weil er musste, nein, weil er es wollte.  Er lebt die Region. Das sind keine Marketingphrasen, mit denen er mich versucht, von seiner Heimat zu überzeugen. Er ist selber überzeugt von seinem Landkreis. Ich spüre den Stolz, die Leidenschaft für seine Heimat und bin fast ein bisschen neidisch, nicht hier aufgewachsen zu sein. 

Hinter Bertsdorf-Hörnitz öffnet sich plötzlich der Blick auf eine grandiose Arena. Das Zittauer Gebirge liegt vor uns. Umgebindehäuser stehen wie Puppenhäuser im Grünen. Es wirkt fast ein bisschen surreal. Ganz real, aber der Lausche-Aufstieg zu Fuß. Auf den Punkt gebracht könnte man sagen:  kurz, aber kernig. Der Stepper im Fitnessstudio ist quasi das Wohlfühlprogramm im Vergleich. Es brennt in den Waden, als es am Skilift vorbei durch eine grüne „Hölle“ steil bergauf geht.  Schweigend und schwer atmend geht es den Berg hoch. Schritt für Schritt. Es wird still, man hört nur die Vögel zwitschern und den Wald rauschen.  Es braucht nicht viel, um ganz bei sich zu sein. 

Nach 40 Minuten Aufstieg liegt die Niederschlesische Oberlausitz vor und Tschechien hinter uns.  Ein 360 Grad Panorama aus verschiedenen Grünschattierungen. Hier und da ein gelbes Rapsfeld, dazwischen drehen sich die Windräder. „Kein schöner Land“- Atmosphäre im Landskron Revier. Es gibt sicherlich weniger schöne Landkreise als die Niederschlesische Oberlausitz, denke ich mir und muss zufrieden lächeln.  So kann es gerne die nächsten 3 Wochen weitergehen. 

Tobias freut sich auf das Unbezahlbarland

Tobias freut sich auf das Unbezahlbarland

Ich komme aus Stuttgart und arbeite seit 15 Jahren als Journalist. Ein Job, der mich rund um den Globus geführt hat, aber selten vor die eigene Haustüre. 15 Grad gen Osten reise ich diesen Sommer. Eine Reise, ein Blog, ein hashtag: #UNBEZAHLBARLAND

Meine Berührungspunkte mit dem Osten sind bis dato eher flüchtig gewesen. Warum? Es hat sich einfach nicht ergeben. Mein Wissensstand über die Niederschlesische Oberlausitz entspricht bildungsbürgerlichem Durchschnitt, meine Meinung zu einer Region wie dem #UNBEZAHLBARLAND ist daher nicht definiert.

Beste Voraussetzungen ab Juni als Reiseblogger 3 Wochen lang das #UNBEZAHLBARLAND zu bereisen. Vorbehaltlos und unvoreingenommen kann ich den Strukturwandel beobachten, dem Granit beim Wachsen zusehen, lokale Arbeitgeber treffen und mit Einheimischen ins Gespräch kommen. Ich möchte ihre Geschichten hören, ihre Hoffnungen, ihre Wünsche und ihre Ängste. Kurz, was diese Region eben bewegt. Mit der Bahn, dem Rad, zu Fuß, per Kanu und per Anhalter von Bad Muskau bis nach Oybin, von Niesky nach Görlitz. Kreuz und quer, immer am Puls der Region.

15 Grad Ost ist mein leeres Blatt. Mein blinder Fleck auf der Deutschlandkarte. Ich habe keinerlei Erwartungen und keinerlei Vorstellungen, ich will das #UNBEZAHLBARLAND einfach so erleben, wie es ist. Was treibt die Niederschlesischen Oberlausitzer um bzw. an? Warum leben sie gerne hier? Welche Chancen bietet die Region? Und wo steht eigentlich das Grand Budapest Hotel? Fragen habe ich viele. Ich hoffe auf Antworten.

Ich möchte das wahre Gesicht der Region kennenlernen. Ich bin aus 9 Grad Ost, zwischen uns liegen gerade einmal 6 Grad. Was ist das schon? Nicht viel, aber eben doch eine andere Welt. Ich bin sehr gespannt auf dieses #UNBEZAHLBARLAND.

Kaffeetalk vor dem Start

"Auf einen Kaffee mit..." - unter diesem Titel lädt sich das Unbezahlbarland-Team der ENO bei Leuten der Region zum Kaffeetrinken und Plaudern ein. Heute früh machten Kameramann Christian und Kaffeetrinker Ingo an der alten Ofenfabrik in Görlitz Station, um mit mir über meine Reise durch das #Unbezahlbarland zu sprechen.