Tag 13: Die geheime Welt von Turisede mit Schlauchboottour auf der Neisse
- so könnte man diesen Blogbeitrag überschreiben. Oder die Schlagzeile könnte auch lauten: Gebrauchsanleitung für total erschöpfte- aber glückliche Kinder.
Wer selber kleine Kinder hat, der weiß wie erholsam es sein kann, wenn die kleinen Energiebündel völlig ausgepowert – ohne große Diskussionen – abends quasi von selber zeitig ins Bett fallen. Hier ein Vorschlag, wie so ein Tag aussehen könnte.
9 Uhr, Bahnbrücke Zentendorf. Das Thermometer zeigt bereits jetzt sportliche 28 Grad. Die angegebenen 200 m Fußweg zur Einstiegsstelle für die Schlauchbootstour auf der Neiße entpuppen sich als rund 700 m. Aber die Moral in der Truppe ist noch gut. Weder die 5-jährige Amelie, noch der 3-jährige Johann stören sich am kurzen Spaziergang.
Bis zu 6 Personen gehen in ein Schlauchboot. Wir sind zu fünft. Drei Erwachsene und zwei Kinder. Nachdem man ihnen sämtliche „Warum-Fragen“ zu Boot, Wasser & Fauna beantwortet hat kehrt vorerst Entspannung ein. Träge treibend schiebt uns die Neiße gen Rothenburg. Die üblichen „Ich habe Hunger/ Ich will was trinken/ Ich muss Pipi“ Angriffe kann man als gut vorbereitete Erziehungsberechtigte, noch locker parieren. Da ahnt auch keiner wie lange sich die 3 Stunden Tour noch ziehen wird.
Die Sonne brennt unbarmherzig. Schatten Fehlanzeige. Sonnenhüte & Sonnencreme werden erneut rumgereicht. Das erste „Ich will auf den Spielplatz“ wird mit einem ersten Badestopp vergessen gemacht. Auf einer Art Kiesbank mit knietiefem Wasser stoppen wir das Boot. Alle Mann & Frau in die Neiße. Die Kids sind happy, und machen erst mal Pipi unter Beachtung der goldenen Regel: Nie GEGEN die Strömung zu pinkeln. Die Wasserqualität liegt in der Regel bei einer guten Zwei minus, danach für einen kurzen Moment bei einer 2-3. Alles aber immer noch im grünen Bereich.
Abgekühlt und neu motiviert treiben wir weiter. Gerade als wieder Langeweile aufkommen will, steuern wir auf einen „gewaltigen Abgrund“ zu. Die erste Stromschnelle des Tages. Wildes Gekreische und das obligatorische „Nochmal“ der Kinder. Es kommen ja noch weitere auf dem Weg. Die Stimmung im Schlauchboot ist intakt. Alle Selfies, Kurzvideos und Fotos sind inzwischen gemacht.
Wir sind komplett alleine auf der Neiße. An den heißen Sommerwochenenden treiben bis zu 70 Boote von Neiße Tours Macher Tino Kittner auf dieser deutsch-polnischen Grenze. „Das verteilt sich schnell, eng wird es nie“ wird er uns im Anschluss dazu sagen.
Auf der linken Seite taucht ein Piratenschiff auf, rechter Hand steht eine Art Wachturm, vor uns treibt an einer Pontonbrücke befestigt das Neiße Café von Turisede. Wir paddeln gemächlich an der Kulturinsel Einsiedel vorbei. Die Spielplatzrufe der Kinder werden wieder drängender. Mit ein paar Gummibärchen wird eine mögliche Meuterei auf dem Schlauchboot abgewehrt. Die drei Kapitäne haben die 2-köpfige Mannschaft noch im Griff.
Trotz Sonnenhut, Sonnencreme und erneutem Badestopp bleibt die Sonne unbarmherzig. Wir knacken die 30 Grad Marke, und laut Karte müssten wir eigentlich bald am Ziel sein. Auch in der Führungsetage der Schiffsbesatzung wird es langsam weniger mit der Moral. Vor uns taucht das Wehr von Nieder-Neundorf auf. Anlanden, aussteigen, Boot ums Wehr rumtragen alle wieder einsteigen. Die noch sehr junge Crew fängt an erstmals zu protestieren. „Ich will nicht mehr Boot fahren.“ „Ich habe Hunger.“
Alle Eltern kennen das. Es beginnt das Ablenkungsmanöver um Zeit zu schinden. „Boooh, guckt mal da fliegt ein Fischreiher! Da oben, da kreist ein Milan, hier im Schilf das ist eine singende Rohrdommel!“ Gewisse Kenntnisse der lokalen Tierwelt sind hier sicherlich von Vorteil, aber nicht zwingend notwendig. Eine salopp dahin geworfenes: „Ob es hier Haie gibt?!“ samt anschließender Diskussion macht wieder 15-20 Minuten gut.
Aber die stechende Sonne schafft auch die Erwachsenen. Das Trinkwasser geht dem Ende zu, die Lust ebenfalls und inzwischen haben alle im Boot Hunger. Es ist jetzt 12 Uhr mittags. Der Ton an Bord wird „rauher“. „Setz dich jetzt hin!“ Nein, die Schwimmweste bleibt an!“ „Wir sind ja gleich da.“ Die Entspannung kippt schleichend zur Anspannung. Nach 3 Stunden kommt die 5-köpfige Neisse Tour Crew zufrieden, aber abgekämpft an.
Bei Tino gibt es Softdrinks, Snacks und endlich Schatten.
Vor allem die brennende Sonne hat müde gemacht, aber die Kinder konnten sich auf dem Boot nicht besonders viel bewegen- die Energie muss raus. Mit „Auf zum Spielplatz“-Gebrüll entern wir die geheime Welt der Turiseder. Die fällt wirklich schwer in Worte zu fassen. Fakt ist, diese Welt ist einzigartig in Deutschland.
Die Kids stürmen den Wasserspielplatz, ich steige fassungslos dem Öffentlichskeits- & Marketing Leiter Eugen Valtin hinterher. „Das sind alles Robinienstämme, auf denen wir laufen“ erklärt er mir. Es ist eine Art Baumwipfelpfad aus Holz, mit einem Baumhaus-Hotel in den Baumkronen. „Seit wir das eröffnet haben, immer ein Jahr im voraus ausverkauft“ schiebt er trocken hinterher. „Gleich im ersten Jahr haben wir zudem den Tourismuspreis dafür gewonnen.“ Ich stehe in einem der Baumhaus-Badezimmer in gut 8 Metern Höhe. Es ist eine Art Stahlkäfig mit Brause. Hier duscht man über den Baumkronen im Freien.
Die Toilette daneben gleicht einem Jägerstand mit freiem Blick und garantiert immer frischer Luft. Eugen ist nicht zu bremsen, er führt mich durch Tunnelgänge, auf verwinkelte Dachterrassen mit kleinem Zoo und durch den Zauberwald. Ich habe nach kürzester Zeit die Orientierung verloren. „Du hast nur 40 % des ganzen Areals gesehen“ referiert er weiter und verschwindet hinter der nächsten Türe, die wieder zu einem „Geheimgang“ führt, welcher wieder auf eine weitere Brücke führt,.... – sie scheint nicht aufzuhören diese Kulturinsel Einsiedel. Den Rest meiner Bootscrew habe ich längst verloren, ob ich sie hier je wiederfinde?
„Verloren geht hier niemand, auch keine Kinder. Das ist alles sicher.“ beruhigt mich Eugen. Wir sind locker seit 3 Stunden unterwegs, als ich auf den Rest der Truppe treffe. Ein Blick auf die Kinder genügt: die Kleinen sind platt. Ohne Mittagsschlaf, verschwitzt, verschrammt, die Knie dreckig und die T-Shirts mit den Resten sämtlicher Mahlzeiten des Tages dekoriert. Aber auch wir Erwachsenen sehen leicht derangiert aus. Wir steigen ins Auto. Die Kinder schlafen schon beim Anschnallen ein. Es ist 17:30 Uhr.