Land und Wirtschaft, zwei Begriffe, die in der öffentlichen Wahrnehmung oft nicht zusammen passen. Dabei wird auf dem Land genauso gewirtschaftet, wie in der Industrie oder der Stadt. Nur die Luft ist besser und der Status ein anderer.
Mike ist 21 Jahre alt, das Gesicht braungebrannt, die Zähne perlweiß. Neben ihm sein 270 PS Monster im Wert von 270.000 €. Die Meisten arbeiten ein Leben lang, und werden es sich doch nie leisten können, ein Fahrzeug dieser Preisklasse zu fahren. Der junge Landwirt steigt die paar Stufen hoch und nimmt auf seinem „Ferrari der Landwirtschaft“ Platz.
Der Ausblick vom Traktor ist überragend als wir mit seinem Anhänger, befüllt mit 18.000 Litern Gülle auf den Acker rumpeln. Der Motor schnurrt wie ein Kätzchen, aber man spürt die gebändigte Power der 270 Pferdchen, die durch den Acker pflügen als wäre es nichts.
Mikes Cockpit gleicht einer digitalen Kommandozentrale. Mehrere Monitore überwachen den Anhänger und per GPS bringt der Landwirt sein Zuggespann in Position. Er klappt per Knopfdruck den Ausleger aus, drückt auf Start und der Dung wird wie am Lineal gezogen auf das Grünland gebracht. Mike lässt das Lenkrad los, nimmt die Füße vom Pedal und grinst. Mit exakt 7 km/h hält das Gespann Spur und Linie. Autonomes Fahren in der Landwirtschaft.
Nach 5 Minuten ist das „Fässchen“ leer, aber Mike weiß exakt wie viel Dung pro Quadratmeter auf den Boden gegangen sind. Der Landwirt dreht ab, und fährt zurück zum „Tanken“ auf den Hof. Herdenmanager und Leiter der Tierproduktion, René Hesse, wartet dort bereits. Der 38-Jährige ist ein Mann wie ein Baum. Der Händedruck gleicht einem Schraubstock. Body Mass Index bei einer gemütlichen 30, Typ Teddybär.
Optisch passt er vielleicht ins Bild eines Landwirts, aber er ist alles andere als mundfaul oder verklemmt wie die armen Kerle, die im TV Trash Format „Bauer sucht Frau“ gerne trottelig vorgeführt werden. „Was dort gezeigt wird, habe nichts mit der Realität zu tun“, ärgert er sich.
Landwirtschaft ist sicher kein Ponyhof. Die Tage sind lang, aber nie langweilig wie manch ein Bürojob. Zusammen mit einem Team von 34 MitarbeiterInnen bewirtschaftet die Produktionsgenossenschaft Rosenhain rund 1.000 Ha Fläche, grob verteilt auf zwei Standbeine. Einerseits den Getreideanbau von Gerste, Weizen und Raps, andererseits die Produktion von 10.500 l Milch pro Tag.
700 Kühe stehen in den offenen Stallungen. Damit haben wir eine mittlere Größe im Landkreis erklärt der studierte Landwirt und schiebt erfreut hinterher: „Ich bin übrigens vor kurzem wieder „Vater“ geworden!“ Rund 30 Kalbungen pro Monat, der Pflegevater René und seine 700-köpfige Großfamilie.
Wie in so vielen Betrieben hat auch Herdenmanager René Schwierigkeiten geeigneten Nachwuchs zu finden, obwohl man nur junge MitarbeiterInnen auf dem gesamten Gelände sieht. Das Problem seien die Vorurteile, ein schlechtes Bild gezeichnet von den Medien und falsche Vorstellungen, reflektiert René.
„Wir sind kein Streichelzoo, sondern ein Betrieb, für den Job des Landwirts müsse man im positiven Sinne eine „Macke“ haben. Vergleichbar mit dem Torwart beim Fußball.“
Mike hat inzwischen ein weiteres „Fässchen“ gefüllt und stoppt mit seinem PS-Monster neben uns: „ Ist doch geil, während alle im Freibad aufeinander hocken wie die Ölsardinen, habe ich das Land für mich alleine.“ Brüllt er über den Motorenlärm zu uns runter, gibt Gas und wird eins mit dem Hitzeflimmern über dem Grünland.