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Tag 4: Herrnhuter Sterne

2021 06 10 Herrnhuter Beitrag 1
Klare Linien und viel Glas - der Firmensitz der Herrnhuter Sterne ist ein schnörkelloser ultra-moderner Bau. Jacqueline Schröpel, zuständig für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit kommt bester Laune über die Straße auf den Parkplatz geschlendert, um uns persönlich in Empfang zu nehmen. 

Rund 70.000 Besucher kommen normalerweise pro Jahr. Heute sind es Corona-bedingt exakt 2. Chris und ich, exklusiv geladen, um das Unternehmen kennenzulernen. Wieder fällt mir die Warmherzigkeit der Menschen auf. Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass ich mir wie der Hahn im Korb vorkomme. 160 Mitarbeitende, davon 140 Frauen. „Frauenhuter“ Sterne wären auch ein verdienter Firmenname. 

Wir stehen in der Kinderbastelwerkstatt.  Aus Jacqueline sprudelt der Enthusiasmus für ihren Job. Ich spüre das Herzblut mit dem hier für ein Produkt und nicht irgendeine Marke gearbeitet wird. An einem Tisch sitzt Silke Mantke und bastelt Kegel für die Sterne. Ihre grau-blauen Augen lachen, ohne ein gesprochenes Wort ist klar, diese gebürtige Herrnhuterin ist weder auf den Kopf, noch auf den Mund gefallen.

Ich setze mich zu ihr. Sie grinst. Ich komme mir vor wie beim ersten Date. Nur ist das kein Date, sondern ich soll/ darf/ kann/ versuchen, meinen eigenen Herrnhuter Stern zu bauen. Sieht total leicht aus, denke ich und scheitere bereits am einfachsten Arbeitsschritt kläglich: aus einem vorgeschnittenen Papier einen sauberen Zylinder zu drehen und zu kleben.  

Ross Anthony war mal da, der hat es besser hinbekommen, foppt mich Silke, um mir danach einen Crash-Kurs in Mathematik zu verpassen. Denn die Spitzen der Sterne sind das eine, das andere ist der Rhombenkuboktaeder.

Komme aus der Mathematik, müsse man wissen, hatte doch jeder in der Schule – ich höre ihre Worte wie aus weiter Ferne. Gedanklich arbeite ich noch immer die Aussprache ab: Rhombenkub-wie-nochmal? An dem Tag habe ich in Mathe gefehlt, versuche ich mich rauszuwinden. 

Frauen wie Silke und Jacqueline stehen für eine frische, familiäre Unternehmenskultur. Neben Früh-und Spät- gibt es auch eine Mutti-Schicht. Ein Arbeitgeber passt sich an die Bedürfnisse seiner Mitarbeitenden an. 

2021 06 10 Herrnhuter Beitrag 2

750.000 Sterne werden so pro Jahr von Hand gefertigt.  Und die Sehnsucht nach Handarbeit made in Herrnhut ist groß. Zu groß, an manchen Tagen. In Zeiten des Lockdowns habe man im Mai einen „Sterne-Drive-In“ auf dem Parkplatz des Firmensitzes durchgeführt, berichtet Jacqueline Schröpel. Kurze Zeit später sei in Herrnhut nichts mehr gegangen. Weder vor, noch zurück. Kein Bus, keine Polizei, es kam einfach nichts mehr durch. Der erste, einzige und längste Stau in der Geschichte von Herrnhut. 

Ich blicke hoch zum Herrnhuter Stern, der in Übergröße im gläsernen Besprechungsraum hängt. Einer von nur sieben Stück in dieser Größe mit stolzen 2,5 m Durchmesser erzählt Jacqueline beiläufig. Nur sieben Stück? Wo hängen denn die anderen, frage ich.

Och, in Liverpool, Kiew oder im Berliner Bundeskanzleramt zum Beispiel, sagt Jacqueline nonchalant zum Abschied. Ich schaue wieder hoch zum Stern. Zugegeben, ich bin beeindruckt.  

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